Der Eismeister vom Weißensee
Der alte Mann und das Eis
Die Beifahrerin tut noch einen spitzen Schrei – dann fährt James Bond mit seinem Aston Martin mitten auf den zugefrorenen Weißensee.
Millionen Menschen haben die Verfolgungsjagd im Kino gesehen, in „Der Hauch des Todes“. Dreißig Jahre ist das jetzt her, aber waghalsig schaut es heute noch aus: Wie bekommt man ein Auto auf den See? Wenn es einer weiß, dann der Norbert Jank: Er ist der Eismeister vom Weißensee in Kärnten. Und er hat das Filmteam damals beraten.
Der Weißensee bildet die größte natürliche,
jedes Jahr zufrierende Eisfläche der Welt
Und das ist heute noch seine Aufgabe: Prüfen und sicherstellen, wann und wo das Eis hält. Der Weißensee gilt als die größte beständig zufrierende Natureisfläche weltweit – und dank Norbert Janks unermüdlichem Einsatz auch als die längste präparierte Natureisbahn. Als Eismeister kennen und schätzen ihn hier sowohl die Einheimischen als auch Touristen.
Den ganzen Winter über sorgt er mit seinem Team für sicheres Eislaufen. „70 bis 80 Eislauftage sind’s pro Jahr. Das ist was Sensationelles, so was gibt’s nur einmal auf der Welt“, sagt der Eismeister stolz.
So klar ist das Eis, dass es aussieht, als stehe Norbert Jank auf dem Wasser.
Mit dem Bohrer prüft der Eismeister die Tragfestigkeit der gefrorenen Fläche.
Weil es aufs Eis geschneit hat, sieht man erst auf dem zweiten Blick, dass diese Kutschfahrt nicht an Land stattfindet.
Wenn die ersten Frostnächte im November kommen, dann „rahmt der See“. So nennt es Norbert Jank, wenn sich die erste dünne Eisschicht bildet. Er beginnt mit seinen Beobachtungen und dokumentiert genau, wo der See wann erstarrt. Denn wenn er weiß, wie alt das Eis ist, dann weiß er auch, wo es besser hält und wo schlechter – je jünger, desto höher die Einbruchgefahr.
Er ist auch der Erste, der sich darauf wagt: Wenn er sicher ist, dass das Eis ihn trägt, geht er das erste Mal hinaus, bohrt kleine Löcher ins Eis und misst so die Eisstärke.
Erst ab 13 Zentimetern Dicke hält das Eis –
aber oft können’s die Leute nicht abwarten.
Hat das Eis großflächig eine Stärke von 13 Zentimetern, dann kann er die Fläche freigeben. Aber oft können’s die Leute schon nicht mehr erwarten, mei, dann gibt er halt einzelne kleinere Flächen schon vorher frei – aber nur, wenn er es hundertprozentig verantworten kann.
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Das sagt ihm seine jahrzehntelange Erfahrung, die ihn noch nie getrogen hat. „Wenn einer einbricht, dann bin das immer ich.“
Seit fünfzig Jahren ist Norbert Jank jetzt auf dem Eis. Dabei war das anfangs bloß eine Notlösung. Für seine Feriengäste hatte er einen Pferdeschlitten gebaut – aber dann war immer zu wenig Schnee auf den Straßen, oder zu viel Streusalz.
Zuerst wagte er sich mit einer Kutsche
aufs Eis – heute im Ford Fiesta.
Also kam er auf die Idee, die Pferde auf den zugefrorenen See zu schicken. „Da musst’ ich ja schauen, ob das Eis stark genug ist, dass es das Gefährt aushält“. Und so fing es an mit Herrn Janks Gespür für Eis.
Heute ist der Eismeister mit seinem ausrangierten Ford Fiesta auf dem See unterwegs. Wenn die Leute ihn sehen, winken sie ihm zu oder heben die Daumen. „Das sind tolle Erlebnisse“, sagt er, „wenn man mich landauf landab von einer positiven Seite kennt.“
James Bond auf dem gefrorenen Weißensee – 1987 in „Der Hauch des Todes“.
Beliebt machte er sich sogar bei den Holländern: Schließlich hat er ihre „Elfstedentocht“ gerettet, die „Elf-Städte-Tour“. Das ist die größte Eissportveranstaltung der Welt und eine wahre Institution in den Niederlanden. Aber dort frieren die Gewässer nicht mehr richtig zu.
Darum kommen die Eisläufer seit 1989 jeden Februar zur „Alternativen 11-Städte-Tour“ an den Weißensee. Bis zu 6000 Läufer sind es mittlerweile.
Um für sie die optimalen Eisverhältnisse zu schaffen, ist Norbert Jank mit seinen 70 Jahren ganze drei Monate lang jeden Tag auf dem Eis. In der Vorbereitungsphase für die Alternative Elfstedentocht sind es sogar bis zu 15 Stunden am Tag.
Was dieser Eismeister aus seinen Erfahrungen gelernt
hat, kann man nirgendwoanders lernen
Eigentlich macht er das gern, nur bekommt er in dieser Zeit seine Enkelkinder kaum zu sehen: Die schlafen meistens schon, wenn er am Abend heimkommt.
Die Erfahrungen, die Jank in all den Jahrzehnten gemacht hat, sind einmalig und unbezahlbar: „Das kann man nirgends herauslesen, das ist alles im Kopf“, sagt er. „Was wir da machen, das gibt’s ja weltweit nicht. Man kann es nur durch Mitarbeit erleben.“
Ein Bubentraum wird wahr: Bernhard Jank, Sohn und Mitarbeiter des Eismeisters, fräst mit dem Eis-Quad den Schnee beiseite.
Und durch Ausprobieren: Über die Jahre hat er schon mehrere seiner fürs Eis eigenhändig umgebauten Autos im See versenkt.
Trotzdem, das Einbrechen ist nichts, wovor er Angst hat – sonst wäre er fehl am Platz: „Wenn man Angst hat, wird man unsicher, und das geht nicht.“ Das Eis täglich im Auge zu haben, das gebe ihm Sicherheit.
„Dass es zufriert, das macht der da oben.
Ich kann nur mit ihm zusammenarbeiten“
Wenn es um die Gäste geht, gibt’s darum keinen Kompromiss: Freigegeben wird erst, wenn’s wirklich sicher ist.
Manchmal fühlt Norbert Jank sich ein bisschen als Sündenbock, wenn er das Eis noch nicht freigeben kann. Das ärgert ihn dann zwar immer ein bisserl, sagt er, aber letztlich sieht er es gelassen: „Dass es zufriert, das macht der da oben. Ich kann nur mit ihm zusammenarbeiten.“
Der Eismeister und sein Team – zwei seiner Mitarbeiter sind seine Söhne. Und dahinter: ein eistauglich gemachter Ford Fiesta.
Text: Simone Zwikirsch
Schreiben sie eine E-Mail an die AutorinDER WEISSENSEE – FAST EIN EISWUNDER
Bis zu 50 Zentimeter dick wird die Eisschicht auf dem Weißensee in Kärnten.
Dass er von Dezember bis März durchgängig zufriert, verdankt er seiner einmaligen Lage: Der höchste See Österreichs liegt in einer Talfurche, die umliegenden Gailtaler Alpen schützen das Gewässer vor Wind und Nebel. Das sorgt für klare und kalte Wintertage und eine schnelle, langanhaltende Eisbildung.
Nur wenn die Eisfläche schneefrei ist (man nennt es dann Kerneis oder Spiegeleis), wächst sie auch. Darum ist das Schneeräumen eine der wichtigen Arbeiten, die der Eismeister tagtäglich verrichtet.
Die Wasserqualität im Weißensee ist so hervorragend, dass man – bei Kerneis – teilweise sogar bis auf den Grund sehen kann.
Eismeister als Beruf, das gibt es vor allem in Holland, die sind aber in der Regel für Kunsteisbahnen zuständig. Norbert Jank hingegen ist einer der wenigen Eismeister auf einer natürlichen Eisfläche. Er gilt deshalb als Experte für jede Eislage.
Auf dem Weißensee kann man aber nicht nur eislaufen: Es gibt auch mehrere Eishockeyplätze, Spazierwege, Eisstockbahnen und Langlaufloipen.
Eisgolfer und Eistaucher kommen hier auch auf ihre Kosten, es gab sogar schon einmal eine Eishockey-unter-Eis-WM.
♥ Unser Grüß Gott-Tipp:
Schauen Sie dem Eismeister doch mal bei seiner Arbeit über die Schulter: Jeden Mittwoch gibt’s eine Führung.