Januarbräuche im Alpenland
Das fängt ja gut an
Schnablerrennen – Ohne Deichsel und ohne Brems'
In halsbrecherischem Tempo jagen die Gaißacher Burschen ins Tal – sehr zum Vergnügen der Schaulustigen.
Dass jedes Jahr um die 6ooo Menschen zuschauen, wenn sich maskierte Männer und Frauen auf Schlitten auf einer 1,5 Kilometer langen Strecke zu Tal stürzen, klingt kurios. Doch das Schnablerrennen in Gaißach gilt als größtes Sportereignis im Isarwinkel.
Die „Schnabler“ sind Hornschlitten, mit denen einst Holz und Heu ins Tal gebracht wurden. Zur Gaudi wurde das Ganze, als 1928 einige Burschen wetteten, wer es am schnellsten von der Schwaigeralm über die schmalen, steilen und vereisten Hohlwege ins Tal schafft. Bis heute dürfen nur Gaißacher zum Rennen antreten, Auswärtige bloß als Begleiter.
Wenn am Ende der Schanzenbuckel mit vollem Karacho genommen wird, haut’s die Faschingshüte und Perücken von den Köpfen, mit denen sich die Wagemutigen für das Rennen herausgeputzt haben. Und bei der Landung fliegt mancher Fahrer gleich hinterdrein, weil die Schnabler weder Lenkung noch Bremsen haben. Wie es in ihrem Rennfahrerlied heißt: „Ohne Deichsel und ohne Brems’ is des Rennerts ebbas Scheen’s“.
♥ Gaißach bei Bad Tölz, 13.01.2019 – wenn's genug Schnee hat
Vogel Gryff – Wenn Ehrengesellschaften feiern
Wenn Ehrengesellschaften feiern, dann tanzen ein komischer Vogel, ein wilder Mann und ein Löwe über die Brücke. Und ganz Basel ist auf den Beinen.
Einst waren sie für die Bewachung der Stadtmauer verantwortlich, die „Drei Ehrengesellschaften Kleinbasels“. An ihre jährlich veranstalteten Waffenmusterungen erinnert bis heute jener volkstümliche Feiertag, der diesmal auf den 26. Januar fällt. An diesem Tag treten in Kleinbasel (so heißt der rechts rheinische Teil von Basel) die drei personifizierten Schildhalter der Ehrengesellschaften auf: Da wäre erstens der Vogel Gryff, ein Greif in schwerem Schuppenpanzer als Symboltier der Gesellschaft zum Greifen. Zweitens der tännchenschwingende Wild Maa für die Gesellschaft zur Hären, die ursprünglich Jäger und Fischer vereinte, bis später Handwerker und Angehörige des niedrigen Adels dazukamen. Und drittens der Leu, also der Löwe der Gesellschaft zum Rebhaus, bestehend aus den Kleinbasler Rebleuten, Landwirten und Gärtnern.
Los geht’s, wenn der Wild Maa auf seinem Floß über den Rhein gefahren kommt. Ist er an Land gesprungen, führen die drei Gestalten auf der Mittleren Rheinbrücke ihre traditionellen Tänze vor – das Gesicht stets in Richtung Kleinbasler Seite. Die Grossbasler auf der linksrheinischen Seite sollen nur das Hinterteil zu sehen bekommen.
♥ Basel, 26.01.2019
Blochziehen – Faszinierendes Maskenspiel
Dieser urige Tiroler Brauch ist einer der ältesten hier in der Gegend. Er steckt voller Symbolik über Mensch, Natur und Dämonen.
Das Blochziehen, ein Umzug in Fiss im Tiroler Oberland, gehört zu den größten und wichtigsten Fasnachtsbräuchen im Alpenraum und findet im Vierjahresrhythmus statt. Es erinnert an die Frühjahrs- und Fruchtbarkeitsfeste aus vorchristlicher Zeit.
Schon im Spätherbst beginnen die Vorbereitungen mit dem Blochbaumholen: Eine stattliche Zirbe wird gefällt, bewacht und auf Schlitten geladen. Am Tag des Umzugs versammeln sich dann die teilnehmenden Figuren mit respekteinflößenden Verkleidungen und hölzernen Masken im Dorfzentrum. Aufs Kommando des Fuhrmannes beginnt sich der Bloch, geschoben von zahlreichen Vermummten, in Bewegung zu setzen. Dabei versuchen Hexen und Schwoaftuifl, das Fortkommen zu erschweren. Diese mitunter derben, spielerischen Elemente und viele weitere Figuren gehören seit jeher fest dazu – natürlich auch zur Unterhaltung des Publikums.
Übrigens wurde das Blochziehen früher nur dann veranstaltet, wenn sich im Dorf das ganze Jahr über niemand vermählt hatte.
♥ Fiss in Tirol, 30.01.2022
Schäfflertanz – Alle sieben Jahre wieder
Warum die Fassmacher zu tanzen begannen, ist bis heute nicht ganz sicher. Aber es ist jedesmal eine große Schau.
Schäffler, so nennt man im Süden die Fassküfer und Fasshersteller. Ihr alter Zunfttanz fand ursprünglich nur in München statt, doch ab 183o verbreitete sich der Brauch durch wandernde Schäfflergesellen auch außerhalb der Isarstadt und ist heute in vielen Orten im altbayerischen Raum üblich.
Der Legende nach wurde der Tanz in München erstmals 1517 nach einer Pest-Epidemie aufgeführt, um die Bevölkerung, die sich kaum mehr auf die Straße traute, zu beruhigen und das öffentliche Leben wieder in Gang zu bringen. Allerdings weisen die Sterberegister für dieses Jahr keine auffälligen Todesraten auf – der wahre Grund bleibt also unklar.
Das gilt auch für den Aufführungsturnus: Warum wird das Schauspiel meist alle sieben Jahre aufgeführt? Vermutungen zielen auf ein verstärktes Auftreten der Pest alle sieben Jahre, auf die 7 als Glückszahl – oder darauf, dass Herzog Wilhelm IV. den Schäfflern das Recht gab, nur alle sieben Jahre ihren Tanz aufzuführen, damit das Feiern nicht überhandnimmt.
Aber da es die Schäfflertänze heute vielerorts gibt, findet sich in jedem Jahr eine Gemeinde, in der getanzt wird – heuer in München.
♥ München, 06.01., 11.01., 12.01., 19.01. sowie 26.01.2019
Dreikönigsritt – Kirchlicher Segen für vier Hufe
Einst waren die Dreikönigsspiele pompös- theatralische Veranstaltungen. Geblieben ist eine liebenswerte Tradition.
Am Dreikönigstag, dem 6. Januar, wird mancherorts traditionell der Pferdesegen vergeben. Mit geschmückten Rössern reiten die Männer zur Dorfkirche, wo sie vom Pfarrer mit Weihwasser besprengt werden. Vielerorts gab es dazu seit Jahrhunderten aufwändige Dreikönigsspiele, Umzüge mit Hunderten von Darstellern in prächtigen Kostümen. Mit der Aufklärung wurden die barocken Spiele jedoch verboten. Und mit dem Verschwinden des Pferdes aus der Landwirtschaft werden heutzutage auch viele traditionelle Ritte immer weniger gepflegt.
Der bekannteste Dreikönigsritt findet in Arget zwischen München und Bad Tölz statt, im Anschluss an einen Festgottesdienst. Begleitet werden die Reiter von Blechbläsern, der Feuerwehr und dem Trachtenverein.
Der Dreikönigsritt im niederösterreichischen Scheibbs führt von der Kapuzinerkirche durch die Altstadt zur Stadtpfarrkirche. Caspar, Melchior und Balthasar werden von Fanfarenbläsern, als Hirten verkleideten Kindern und einem Reiter mit dem Stern begleitet.
♥ 06.01.2019 Arget, 10 Uhr, Pfarrkirche St. Michael; Scheibbs, 17 Uhr, Kapuzinerkirche
Aperschnalzen – Jetzt schnalzen die Goaßln
Wer den Winter mit Peitschenknallen vertreiben will, braucht eine Menge Kraft, Ausdauer und Geschick.
Zwischen Ende Januar und Anfang Februar hört man’s im Berchtesgadener und im Salzburger Land rhythmisch knallen: Das sind unverkennbar die Goaßln, die bis zu 4 Meter langen Peitschen. Gruppen von je sieben oder neun Personen, sogenannte Passen, schwingen ihre Goaßln und erzeugen durch gekonnte abrupte Richtungsänderungen der Treibschnur ohrenbetäubendes Schnalzen und Knallen. Das soll symbolisch den Winter vertreiben und Frühlingsgeister wecken.
Traditionell begann das Aperschnalzen am 26. Dezember, dem Stephanitag, und endete am Faschingsdienstag. Heute wird es öffentlich meist von Ende Januar bis Anfang Februar betrieben. Da diese Zeit in den Fasching fällt, nennt man dieses Brauchtum auch häufig Faschingsschnalzen.
Die Ursprünge der Tradition liegen schon in den frühen Jahrhunderten. Damals haben die vielen Fuhrleute bei der Einfahrt in Ortschaften oder bei anderen Gelegenheiten mit der Peitsche ihre charakteristischen Rhythmen geknallt. Heute sind es Menschen aus allen Berufen, die ihr Können unter Beweis stellen – beispielsweise beim jährlichen Rupertigau Preisschnalzen in Oberbayern.
♥ Nur zwei Beispiele von vielen: das Ainringer Preisschnalzen am Ulrichshögl oder das Rupertigau Preisschnalzen in Oberbayern.
Text: Peter Hummel
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