Kufenstechen in Feistritz
Schlag auf Schlag
Fesch haben sie sich herausgeputzt, die Mädchen der Feistritzer Burschenschaft. Seit dem frühen Morgen sind sie deshalb schon auf den Beinen. Denn bis die echte Gailtaler Tracht sitzt, dauert es eine gute Stunde. Und das, obwohl Mütter und Großmütter beim Anziehen helfen. Zwölf Meter Stoff sind in der Tracht verarbeitet, die Röcke mit Maisstärke gestärkt, damit sie beim Tanz ihre volle Pracht entfalten.
Heute ist Kirchtag in Feistritz, und dazu gehört das alljährliche Kufenstechen. Dafür haben die jungen Gailtalerinnen ihre kostbare Tracht aus dem Schrank geholt.
Nach gut einer Stunde Anziehen sitzt alles - stolz präsentieren die Feistritzerinnen ihre aufwändige Gailtaler Tracht
Jetzt warten sie auf der Hauptstraße auf das Eintreffen der Konta, der jungen Burschen aus Feistritz. Gemeinsam werden die jungen Frauen und Männer zur Kirche hinauf ziehen und das Wasser und den Wein für die Messe bringen.
Feistritz an der Gail ist ein Dorf wie viele andere auch in Kärnten. Ein kleiner Hauptplatz, eine Kirche am Berg, ein Gasthaus und 615 Einwohner. Oben am Kamm des Bergrückens, an den sich die Ortschaft so idyllisch schmiegt, beginnt Italien. Nur wenige Kilometer sind es vom Dorf bis zum Dreiländereck Österreich-Italien-Slowenien.
Bis sie verheiratet sind, können die Burschen beim Kufenstechen mitmachen
Lautstark gesellen sich die Burschen der Konta zu den Mädchen. Auch die jungen Männer tragen ihre Festtagstracht. Von fünfzehn an, bis zu ihrer Hochzeit, sind sie Mitglieder der Burschenschaft und können beim Kufenstechen mitmachen. Da es beim einen oder anderen schon mal länger dauern kann, bis er eine Braut findet, soll es im benachbarten Nötsch einen Herrn gegeben haben, der noch mit fünfzig mit den Jungen geritten ist.
Die Gailtaler Männertracht ist eine echte Reitertracht, beeinflusst von der Kleidung der bäuerlichen Fuhrleute. Die Burschen tragen hohe Schaftstiefel, im rechten steckt die Zipfelmütze, die beim Reiten den schwarzen Schlapphut ersetzt
Der offene letzte Knopf des Gilets aus Samt oder Seide ist – ebenso wie der links getragene Blumenschmuck – das Zeichen der ledigen Männer. Ob der Samtrock und die Lederhose in schwarz oder braun getragen werden, ist Geschmackssache, die Stiefel jedoch sind bei allen aus braunem Leder.
Unverkennbar ist der Einfluss der slawischen Nachbarschaft auf die Festtracht der Gailtaler Frauen. Kaum eine Tracht im ganzen Alpenraum ist so prächtig, farbenfroh und unverwechselbar wie die Untergailtaler Festtracht: Bunte Seidentücher am Kopf und über der Brust.
Weiße Zipfelstrümpfe mit hervorblitzenden roten Strumpfbändern und schwarze Schnürstiefelchen, eigens angefertigte Baumwollunterhosen, ein Unterrock und das Prachtstück der Gailtaler Tracht: der plissierte Rock des Leibkittels, zwölf Meter lang und vom breiten Ledergürtel kräftig zusammengehalten.
Mit den Burschen kommen auch die ersten Schaulustigen. Aus dem ganzen Kärntner Unterland strömen die Besucher herbei. Zwar gibt es auch in anderen Gailtaler Gemeinden den Brauch des Kufenstechens, doch nirgends wird er größer gefeiert als hier in Bistrica na Zilji, so der slowenische Name von Feistritz.
Slowenische Trachten, Lieder und Bräuche: ein lebendiges Miteinander der Kulturen
Wer für die Burschenschaft noch zu jung ist, macht sich derweil anderweitig nützlich: Der Nachwuchs – erkennbar an den Seidentüchern über dem weißen Hemd – schenkt Erfrischungen aus. Und so mancher Reiter nimmt den Schluck Wein gern an, um die Aufregung ein bisschen zu dämpfen.
38 Mitglieder, Burschen und Mädchen, hat die Burschenschaft Feistritz, das Reiten ist jedoch den jungen Männern vorbehalten. Und doch steigt nur aufs Pferd, wer Schneid hat. Der Respekt vor den Norikern, den schweren Gebirgspferden, ist groß. Und längst ist es nicht mehr selbstverständlich, dass jeder Bursch reiten kann.
Wenn die Mädchen am Kirchtag mit ihren festlichen Trachten zur Messe einziehen, ist die Pfarrkirche St. Martin bis auf den letzten Platz besetzt.
Nicht alle, die heute gekommen sind, haben Platz in der Pfarrkirche St. Martin, wo heuer zum ersten Mal der Bischof der Diözese Gurk die Messe zelebriert. Nach dem Gottesdienst versammeln sich die Besucher vor der Kirche. Alte slowenische Lieder erklingen. Es sind wehmütige Weisen, die vom Leben, Lieben und Sterben in den Bergen erzählen.
Auch wenn heute nur noch neun Prozent der Bevölkerung offiziell zweisprachig sind, die Lieder und Namen, die Trachten und Bräuche, sie sind slowenisch geblieben. Das letzte Lied wird auf Deutsch angestimmt. Deutsch und Slowenisch, das ist in Feistritz ein Miteinander der Sprachen und Kulturen.
Peter ist einer der Sänger. Aus dem Burschenalter ist er längst heraus. Ob er früher auch selbst geritten ist? „Jo sihali, und wia! Und gwunnan hon i, drei Joa hintaeinada", strahlt er. „Ja,“ wirft der Franz lachend ein, „und das erzählt er uns jetzt seit dreißig Jahren ...“.
Bevor es für die Burschen ernst wird, wird noch einmal ausgelassen getanzt.
Unten im Ort verwandelt sich ganz Feistritz derweil in eine große Bühne, wie immer zum Kirchtag. Zum Rhythmus des Landlers drehen sich die Trachtenpärchen schneller und schneller, bis die schweren Röcke der Mädchen fast waagrecht stehen.
Beim Tanzen entfalten die Röcke der Gailtaler Tracht ihre ganze Pracht. Dafür wurden sie zuvor mit Maisstärke gestärkt
Dann wird es für die Burschen ernst. Sie schlüpfen aus ihren schwarzen Samtjacken und setzen ihre langen Zipfelmützen auf. Ohne Sattel, in der rechten Hand den Koleč, den schweren Eisenschlegel, reiten sie durch die Menschengasse auf die Kufe zu. Die Kufe ist ein kleines Holzfass auf einem Pfahl.
Dröhnend stampfen die Hufe der sonst so stoisch wirkenden Noriker. Mit geschickten Schlägen dreschen die Burschen auf das Fässchen ein. Wer das letzte Holzstück herunterschlägt, dem winken Sieg, Ruhm und Ehre.
Früher sollen die Pferde vor dem Ritt noch mit Schnaps wild gemacht worden sein, erzählt Hans, ein Einheimischer. Früher, das war, als ein Noriker noch das Statussymbol der Gailtaler Bauern war. Ohne einen gescheiten Hengst im Stall, da war man nichts.
Jeder Bursch trägt den Koleč bei sich - mit ihm soll die Kufe zerschlagen werden
Ohne Sattel, mit einem schweren Eisenschlegel in der Hand, reiten die Burschen mit ordentlich Schwung auf die Kufe zu und versuchen das Fässchen zu treffen
Wer sich das begehrte Kranzerl schnappt, ist der Sieger beim diesjährigen Kufenstechen
Immer fünf Burschen reiten direkt hintereinander, Durchgang um Durchgang. Die schnelleren Pferde voran, damit sie die anderen nicht aufhalten. Und während nach der dritten Runde der erste Holzspan fliegt, erklärt Hans fachmännisch, dass es auf die richtige Technik ankomme. Zu fest zugeschlagen, prellt der Arm schmerzhaft zurück. Ist der Schlag zu schwach gesetzt, kann er der Kufe nichts anhaben.
Im sechsten Durchgang ist es dieses Mal so weit, der letzte Reiter trifft die noch verbliebene Planke perfekt, sie segelt durch die Luft. Geschafft!
Zum Schluss geht es darum, sich das begehrte Kranzerl zu holen
Aber auf Ross und Reiter wartet eine weitere Herausforderung: das Kranzlstechen. Dabei versuchen die Burschen mit ihrem Eisenschlägel durch das Blumenkranzl zu treffen, das einer der Männer hochhält.
„Langsamer!“ ruft der Kranzlhalter den Reitern zu und versucht, die übermütigen Burschen etwas einzubremsen. Doch für die gibt es kein Halten mehr. Wer das Kranzl erwischt, darf sich dieses Jahr mit dem Siegerkranz schmücken.
Christoph Galle und Matthias Kaiser sind diesmal die Gewinner des Feistritzer Kufenstechens: Sie haben den Siegerkranz erwischt
In Oberfeistritz sichert sich 2016 Christoph Galle das begehrte Kranzl und in Unterfeistritz Matthias Kaiser.
Sie und alle Mitstreiter werden für den Rest des Tages gefeiert – unter der alten Dorflinde, wo die Burschen und Mädchen noch bis in die frühen Morgenstunden tanzen und singen.
Text: Rudolf Binder • Fotos: Wolfgang Simlinger
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