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„Ein lebendiges Licht“

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Kerzenziehen

„Ein lebendiges Licht“

Kerzenziehen: Wachskerzen vor Metallschild
Am Fest Mariä Lichtmess, am 2. Februar, werden in den Kirchen die Kerzen geweiht. Bis dahin hat der Wachszieher Bernhard Fürst in seiner Münchner Werkstatt alle Hände voll zu tun. Er stellt bis heute handgezogene Kerzen her – mit seinem uralten Handwerk ist er einer der Letzten seiner Zunft.

 

Bernhard Fürsts Monstrum steht im Keller. Ein eisernes Ungetüm, überzogen mit Kaskaden aus erstarrtem Wachs. Was aussieht wie ein Museumsstück, ist der Mittelpunkt der Wachszieherei Fürst in München: die Zugmaschine, auf der Kerzen noch ganz traditionell handgezogen werden.

Das Kerzenziehen ist ein uraltes Handwerk –
Bernhard Fürst hat es noch von der Pike auf gelernt.

Bernhard Fürst ist Wachszieher und führt den Familienbetrieb bereits in der fünften Generation. Das Kerzenziehen ist ein uraltes Handwerk, und Bernhard Fürst ist einer der letzten seiner Zunft. Er hat es noch von der Pike auf gelernt.

Kerzen in allen Größen und Designs fertigt die Wachszieherei.

Die Endloskerze wird zunächst auf eine riesige Trommel gewickelt, dann schneiden Bernhard Fürst und Aline Lorenz die richtigen Längen zu.

Die alte Zugmaschine hat schon ungezählte Kilometer Docht durchs Wachsbad gezogen. Man sieht es ihr an.

„Kerzen sind ein lebendiges Licht“, sagt Bernhard Fürst. Bei aller Liebe zu seinen Kerzen und seinem Beruf: Was ihm als Erstes über die Lippen kommt, ist diese Mahnung, dass brennende Kerzen beaufsichtigt werden müssen.

Aber „lebendig“ passt auch sonst gut zu seinen Kerzen. Denn wie alles Lebendige wachsen auch die handgezogenen Kerzen langsam, Schicht für Schicht, und werden nicht im industriellen Schnellverfahren aus kaltem Pulver gepresst. Das Ziehverfahren ist eines der ältesten Herstellungsverfahren für Kerzen.

Immer wieder und wieder zieht die Maschine den Docht
durchs flüssige Wachs. So wächst langsam die Kerze heran

Und von denen quillt Bernhard Fürsts Arbeitsplatz fast über. Auf jedem freien Fleckchen stehen und liegen sie, dicke Kerzen und dünne, lange und kurze, weiße, rote, einfache und kunstvoll verzierte. Daneben Wachsspuren in allen erdenklichen Farben und Formen, wie in einer Künstler-Werkstatt. 

Knatternd setzt sich die Zugmaschine in Bewegung. Über die Zugtrommeln spannt sich eine 110 Meter lange Dochtschnur, die nun während des Rundlaufs immer wieder in ein Wachsbad eintaucht und dabei jedes Mal eine Schicht Wachs aufnimmt. Überschüssiges Wachs wird an einem Metallring abgestreift. „So wächst die Kerze“, erklärt Bernhard Fürst. 

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Und das dauert seine Zeit – je dicker die Kerze werden soll, desto länger. „In eineinhalb Stunden ist ein Durchmesser von zwei Zentimetern erreicht“, so der Wachszieher. Das langsame Wachstum beim Kerzenziehen macht die handgezogenen Kerzen so besonders.

Denn dabei kommt es zu kleinen Lufteinschlüssen, und „dadurch wird das Licht der Kerze schöner, sie hat mehr Stabilität und brennt gleichmäßiger ab“, erläutert Fürst.

Sämtliche Kirchen in und um München gehören
zu seinen Kunden – und zwei Päpste

Und wo sie überall brennen, die Kerzen aus der Wachszieherei Fürst! An der Wand im Büro hängt ein eigenhändiges Dankesschreiben des emeritierten Papstes Benedikt XVI. An dessen privatem Christbaum in Rom leuchten Jahr für Jahr – wie schon bei seinem Vorgänger Papst Johannes Paul II. – die handgezogenen Kerzen aus der bayerischen Heimat. Für Bernhard Fürst ist es natürlich eine große Ehre, den Papst zu beliefern, auch wenn er kein großes Aufheben darum macht.


Dreimal wird jede Kerze übertüncht, also in ein Fass mit farblosem Wachs getaucht. So tropft sie später weniger.

Etwa sieben Tonnen Wachsmischung verarbeitet Bernhard Fürst im Jahr. Seine Kerzen bestehen aus Paraffin, Stearin, Bienenwachs und Hartwachs. Die genaue Zusammensetzung ist natürlich sein Betriebsgeheimnis. Wie bei den Lebküchnern hat auch jeder Wachszieher seine ganz eigene Rezeptur, die seine Kerzen auszeichnet.

Hochsaison hat das Kerzenziehen natürlich zu Ostern und
Weihnachten. Vor allem aber zu Mariä Lichtmess

Bevor die Wachsmischung in die Zugmaschine kommt, wird sie in einem großen Bottich geschmolzen. Dann muss die Masse mindestens drei Stunden stehen, damit sich Schmutzteilchen absetzen. Über Nacht lagert das Wachs noch einmal in einem Vorratsbehälter.

Der ist regelmäßig voll, vor allem, wenn die Kerzen für Weihnachten und Ostern produziert werden. „Das sind für uns natürlich Saisonzeiten“, bestätigt der Wachszieher, aber der eindeutige Spitzenreiter ist, vielleicht überraschend, ein anderes Fest: „ Am meisten Betrieb ist vor Mariä Lichtmess“, sagt Fürst.

Alles, was man zur Kerzendekoration braucht – und das ist eine ganze Menge.

Das Verzieren von Kerzen ist eine Kunst für sich.

„Qualitäts-Altarkerzen, 1/2 Pfund kurz“: So wartet die fertige Ware auf ihren Einsatz.

Die katholische Kirche feiert das Fest am 2. Februar. Es erinnert die Christen daran, dass Jesus das „Licht der Welt“ sei. Kerzen sind ein Symbol dafür. Darum wurden an diesem Tag –und werden mancherorts noch immer – die Kerzen für das ganze Kirchenjahr geweiht.

Weil der Großraum München etwa 300 Kirchen hat, und weil sie alle Bernhard Fürsts Kunden sind, haben er und seine Angestellte Aline Lorenz alle Hände voll zu tun, wenn es auf Lichtmess zugeht.

Die Arbeit muss flink gehen, denn wenn das Wachs zu hart wird,
wird es brüchig. Dann lässt es sich nicht mehr verarbeiten

Die beiden stellen hauptsächlich Altar- und Opferkerzen her. Obwohl das eher schmale Kerzen sind, brauchen sie für ihre Arbeit auch eine gehörige Portion Muskelkraft. Denn wenn der Dochtstrang in der Zugmaschine auf die richtige Kerzenstärke angewachsen ist, müssen 110 Meter Kerze – manchmal sogar das Doppelte – per Hand durch ein Loch in der Decke nach oben auf eine große Trommel gezogen werden. Von dort wickeln Fürst und Lorenz den Strang dann nach und nach ab und schneiden ihn in die gewünschte Kerzenlänge.

Auf einer harten Unterlage werden die noch weichen Kerzen sorgfältig von Hand gerollt, damit sie gleichmäßig rund und gerade sind. Die Arbeit muss flink vonstattengehen, denn wenn das Wachs zu hart wird, wird es brüchig und lässt sich nicht mehr verarbeiten. Auskühlen dürfen und müssen die Kerzen erst, wenn diese Arbeitsschritte erledigt sind. Wobei –noch sind es ja eigentlich keine Kerzen, sondern bloß Wachsstücke.

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Die müssen am nächsten Tag Stück für Stück in die Köpflmaschine, wo ein Fräskopf die Kerzen anspitzt, so dass der Docht zum Vorschein kommt. Dabei bekommt die Kerze zugleich ihre typische spitz zulaufende Form. Nach dem Köpfen hängt Aline Lorenz die Kerzen am Docht an einen Eisenring.

Wie an einem Wäscheständer baumeln sie über drei großen Wachsbottichen mit unterschiedlichen Farben. Dreimal werden die Kerzen in das Fass mit dem farblosen Wachs getaucht und damit übertüncht: Das macht sie für den späteren Gebrauch tropfsicherer.

Dann verrät der Experte, wie man eine handgezogene Kerze erkennt:
Sie hat Wachstumsringe wie ein Baumstamm

In der Wachszieherei Fürst sind alle Kerzen zunächst weiß. Ins farbige Wachs – wenn die Kerzen denn farbig werden sollen – kommen sie erst nach dem Übertünchen. „Dadurch, dass der Körper der Kerze weiß ist, leuchten die Kerzen stimmiger“, findet Bernhard Fürst und zeigt gleich noch eine Besonderheit, an der man handgezogene Kerzen erkennen kann: Am Kerzenboden, in den eine Maschine später noch das Dornloch bohrt, sind wie bei einem Baumstamm die einzelnen Wachstumsringe zu erkennen.

Außerdem, so der Wachszieher, seien handgezogene Kerzen schwerer als gepresste, wodurch sie auch länger brennen. 10 Gramm Wachs pro Stunde verbrennt eine Kerze – je leichter die Kerze, desto weniger hat man davon.


Das Herz der Kerzenzieherei: Auf der riesigen Zugmaschine läuft der Docht wieder und wieder durchs Wachsbad.

In einem letzten Handgriff schneiden Bernhard Fürst und Aline Lorenz bei jeder einzelnen Kerze den Docht von Hand auf die optimale Länge, „damit die Kerze das richtige Verhältnis zur Flamme aufbauen kann, sozusagen richtig eingestellt ist“, sagt der Kerzenexperte. Und er hat gleich noch eine Lektion zum Docht parat:

Der muss sich beim Abbrennen immer zur Seite krümmen, weshalb in die Dochtschnur Spannungsfäden eingearbeitet sind. Nur am Rand der Flamme bekommt der Docht nämlich Sauerstoff, den er zum Abbrennen braucht.

Kleine Knoten oben am Docht verraten, dass beim Kerzenziehen unsauberes
Wachs verwendet wurde. Ihm passiert so etwas nicht

Brennt der Docht nicht richtig ab und ist zu hoch, dann fängt die Kerze an zu rußen. Bilden sich oben am Docht gar kleine Knoten, ist das ein Zeichen für unsauberes Wachs.

Natürlich hätte Bernhard Fürst auch Tipps, wie man Kerzen richtig pflegt. Aber damit mag er sich nicht lange aufhalten. Bei seinen Kerzen kann man sich das ohnehin sparen, sagt er: „Eine gute Kerze braucht keine Pflege.“


Kontakt
Wachszieherei Fürst  •  Uttinger Straße 18   •   81379 München   •   Telefon 089 7144561
www.wachszieherei.de

 

Text: Rosina Wälischmiller • Fotos: Bethel Fath

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MARIÄ LICHTMESS

Das wichtigste Fest des Jahres ist für eine Wachszieherei nicht etwa Weihnachten oder Ostern, sondern Mariä Lichtmess.

Die katholische Kirche feiert das Fest am 2. Februar. Es erinnert die Christen daran, dass Jesus das „Licht der Welt“ sei. Kerzen sind ein Symbol dafür.

Seinen Ursprung hat Marä Lichtmess im Lukasevangelium. Als Maria und Josef ihren Sohn vierzig Tage nach der Geburt in den Tempel von Jerusalem bringen, erkennt der betagte Simeon, dass Jesus ein besonderes Kind ist: „Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet“, sagt er im Lukasevangelium.

Offiziell trägt das Fest heute den Namen „Darstellung des Herrn“, aber im Volksmund ist es „Lichtmess“ geblieben. Denn an diesem Tag wurden traditionell die Kerzen für das ganze Kirchenjahr geweiht.

Mancherorts ist das immer noch so: Der Großraum München hat um die 300 Kirchen – und Bernhard Fürst beliefert sie alle. Darum haben er und seine Angestellte Aline Lorenz alle Hände voll zu tun, wenn’s auf Lichtmess zugeht.